TRANSPARENZ UND REFLEXION

CoCon-Verlag 2007
ISBN 978-3-937774-40-4
Format 28 x 21 cm
112 Seiten
Hardcover gebunden
56 farbige Abbildungen

€ 20,00
GESPIEGELTE WIRKLICHKEITEN

CoCon-Verlag 2003
ISBN 3-928100-98-X
Format 21 x 28 cm
96 Seiten
Hardcover gebunden
86 farbige Abbildungen

€ 20,00

ZU DEN ARBEITEN VON JOERG EYFFERTH


Betrachtet man die Arbeiten von Joerg Eyfferth, so wird vordergründig zuerst das Abgebildete wahrgenommen. Es sind zumeist Glasgefäße, die die spiegelnden Chromgefäße als Bildinhalt vorhergehender Werkphasen weitestgehend abgelöst haben. Aber auch weiterhin werden den dargestellten Objekten organische Dinge, wie Blüten und Früchte beigeordnet, um einerseits einen Gegensatz zu den klaren Oberflächen des Glases zu bilden und um andererseits unterschiedlichste Farbnuancen in das kühle Interieur mit einzubringen. Die Komposition der Bilder beinhaltet somit nur jeweils wenige Elemente oder, wie in einigen Fällen, auch nur ein einziges Objekt, das einem Solisten gleich abgebildet wird.
Es stellt sich daher nicht selten die Frage, warum Joerg Eyfferth in heutiger Zeit, die von digitalen Abbildungstechniken mit all ihren Möglichkeiten der nachträglichen Verfremdung geprägt ist, noch den Aufwand betreibt, Bilder in altmeisterlicher Technik zu malen.
Bilder, die in ihrer haptischen Illusion förmlich aus der Leinwand zu treten scheinen und somit die menschliche Wahrnehmung ein aufs andere Mal zu täuschen vermögen. Es macht durchaus Sinn, sich die Mühe zu machen, Bilder in dieser Form auf die Leinwand zu bringen, obwohl die Fotografie seit geraumer Zeit nicht nur mehr der bloßen Dokumentation geschichtlicher Abläufe dient, sondern sich selbst längst einen Platz in dem Kanon der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten erobert hat. Joerg Eyfferth ist der Meinung, dass sich Fotografie und Malerei nicht gegenseitig ausschließen, sondern sich durchaus gegenseitig bedingen. So wie manche Künstler ihre Fotografien wie Gemälde erscheinen lassen, bedient sich Joerg Eyfferth in umgekehrter Weise bei der Vorbereitung seiner Malerei der Fotografie. Er benutzt sie als Skizzenbuch und Ideensammlung und bedient sich ihrer auch bei der Umsetzung seiner Bilder als optisches Hilfsmittel. Diese Vorgehensweise ist übrigens keine Erfindung unserer Zeit, wie der Künstler David Hockney in seinem Buch „Geheimes Wissen“ eindrucksvoll belegen kann. Seinen Ausführungen zufolge benutzten die Künstler schon seit der Mitte des 13. Jahrhunderts optische Hilfsmittel, um ihre Bilder entstehen zu lassen. Von der Fotografie unterscheidet sich die Malerei nur in der Arbeitsweise. Beide Medien, die Fotografie und in diesem speziellen Fall Eyfferths Malerei, bedienen sich der sie umgebenden Realität, um ein Bild entstehen zu lassen. Während der Fotografie eine lange Motivsuche und ein Warten auf das richtige Licht vorausgehen, und das Ergebnis dann in Sekundenbruchteilen entsteht, verläuft der Prozess in der Malerei in gerade umgekehrter Weise. Der Maler kommt schon allein aus dem Grund seiner künstlerischen Freiheit, den Bildgegenstand so zu malen, wie er ihn sehen will, zu einem anderen Ergebnis. Ihm liegen die Mittel der subjektiven Bildmanipulation quasi in der Hand. Der Entstehungsprozess zieht sich in den meisten Fällen über Wochen hin. Selbstverständlich findet bereits im Vorfeld auch eine Auseinandersetzung mit dem Motiv statt, aber erst bei der direkten Umsetzung, dem Akt des Malens, entscheidet es sich, in welche Richtung sich das Bild entwickelt. So ist es am Ende auch müßig, die Notwendigkeit der gegenständlich-realistischen Malweise anzuzweifeln, weil sie gegenüber der Fotografie immer einen subjektiven Eindruck des Dargestellten wiedergibt und kein objektives Abbild der Wirklichkeit. Auch in der hyperrealistischen Malweise Joerg Eyfferths ist die eigenständige Sichtweise des Künstlers immer vordergründig wahrnehmbar.
Das Wichtigste für ein Bild ist aber die Idee, die Vision, die dem Entstehungsprozess vorangeht. Joerg Eyfferth entnimmt seine Objekte der ihn umgebenden Wirklichkeit und setzt sie in seinen Bildern bewusst in Szene. Dies macht er in der Form, dass sie allein gestellt, in einem neutralen Umfeld erscheinend, meistens in überdimensionaler Weise gemalt, ihre Wirkung entfalten. Die Bilder sind eindeutig unserer Zeit zuzuordnen.
Stilleben sind seit Jahrhunderten ein Sujet, das die Künstler bearbeitet haben. In vergangenen Zeiten wurden opulente Bildarrangements bevorzugt, um einerseits mit der Darstellung die malerischen Fähigkeiten herauszustreichen und andererseits mit dem Dargestellten gängige Symbole und Allegorien zu vermitteln. In der Ikonografie verweist beispielsweise die Sanduhr und der Totenschädel auf die Vergänglichkeit alles Irdischen. Käse und Wein verweisen auf die Eucharistie, die Rose ist ein Symbol für Jesus Christus. Diese Dinge verstanden die Menschen ihrer jeweiligen Zeit, und sie wurden im Bildarrangement als unterhaltsam oder als Mahnung empfunden.
Mit dem Zeitenwandel ändern sich die Dinge in ihrer Bedeutung oder geraten in Vergessenheit. So wird in der Malerei von Joerg Eyfferth auch keine hintergründige Symbolik zu finden sein. Seine Werke sind weder metaphysisch noch intellektuell überfrachtet und daher einzig und allein sinnlich wahrnehmbar. Die Bilder stehen für sich selbst, wollen nichts erklären und nicht belehren, einzig dem Betrachter ein Seherlebnis bescheren, das er in der normalen Realität nicht erfahren hätte. Ein Journalist ließ sich in seinen Ausführungen anlässlich einer Ausstellung mit Bildern des Künstlers zu der Äußerung hinreißen: „Joerg Eyfferths Malerei – eine Schule des Sehens.“ Wir werden in den Bildern auf Details in unserem Umfeld hingewiesen, denen wir ansonsten keine Aufmerksamkeit schenken. Gerade weil die abgebildeten Dinge aus ihrem Umfeld entnommen und isoliert dargestellt sind, wirken sie fremd, aber doch wieder vertraut. Unscheinbares wird durch die hyperrealistische Wiedergabe überhöht und entwickelt dadurch eine ganz eigene Präsenz. Über die optische Wahrnehmung hinaus entwickeln die Bilder eine Aura, der man sich schwer entziehen kann. Ganz bewusst bezieht Joerg Eyfferth gesellschaftsrelevante Themen unserer Zeit nicht in seine Bilder mit ein, obwohl man in einer gewissen Ambivalenz durchaus Berührungspunkte erkennen kann. Einerseits sind die Bilder unspektakulär ruhig, auf eine Art distanziert und unnahbar, und somit eine Unterkühltheit ausstrahlend, die man in unserer heutigen Leistungsgesellschaft durchaus wieder findet. Andererseits sind die Bilder meditativ, man kann sich beim Betrachten in sie versenken und die ausgestrahlte Ruhe auch als Wärme und Geborgenheit empfinden, gleichsam als einen Gegenpol zu der hektischen Bilderflut unserer gegenwärtigen Medienwelt. Allein, dass der Maler schon eine gewisse Zeitspanne benötigt, um seine Bilder herzustellen, macht sie auf diese Weise dichter und inhaltsvoller als schnelle Bildschirmfolgen. So segensvoll manche Errungenschaften der Technik auch sein mögen, so wichtig sind doch vermehrt solche Rückzugspunkte in unserem Leben, wie sie uns der Künstler mit seinen Bildern gibt. Man kann die Arbeiten als Ruhepunkt begreifen, und sich, trotz ihrer augenscheinlichen Unnahbarkeit, in sie hineinbegeben, um in dieser Form nachzuvollziehen, was der Maler Joerg Eyfferth mit ihnen ausdrücken will. Richard Schaffer-Hartmann
Ehemaliger Leiter der Museen der Stadt Hanau